In Die Sancti Germani Abbatis ist ein rituelles Gesamtkunstwerk, das faszinierende Erlebniswelten schafft: Klänge an der Grenze des Hörbaren, Infraschall und chaotisch im Raum sich bewegendes Flüstern, die geballte physische Präsenz der sieben Sänger, die in unerbittlicher Langsamkeit zu eindringlich schwerer Orgelmusik in der dunklen Kirche mitten durch die Zuschauer schreiten, die fast überirdische Schönheit menschlicher Stimmen … Klang-Energie entlädt sich in Licht-Explosion, uralte liturgische Gesten scheinen den Verlauf der Musik zu beeinflussen, obwohl beide unabhängig voneinander und in einem zeitlichen Abstand von mehr als 1000 Jahren entstanden sind. Abstrakte Licht-Klang-Kompositionen eröffnen ungeahnte Tiefendimensionen.
Noch niemals in der Kulturgeschichte Europas wurde eine lateinische Messe als multimediales Gesamtkunstwerk gestaltet. Durch ein subtiles Netzwerk von Beziehungen wird scheinbar Widersprüchliches zu einem neuen Ganzen verwoben, vom Gregorianischen Choral bis zu Kompositionen der Avantgarde. Die Werke, die In Die Sancti Germani Abbatis in sich schliesst, kommunizieren miteinander und In Die Sancti Germani Abbatis als ganzes kommuniziert mit Werken anderer Sparten. Eine neue Gattung entsteht: die liturgische Oper, und der Begriff des Kunstwerks wird neu definiert.
Auch die technische Komplexität der Realisierung setzt Massstäbe: eine aufwändige Licht- und Video-Installation, teilweise interaktiv, teilweise vorproduziert, life streaming via Datenbrille, die Synchronisation aller Mitwirkenden mit computer-generiertem Metronom-Klick via W-LAN und eine MIDI-fähige Orgel müssen präzise zusammenwirke
Insbesondere aber greift In Die Sancti Germani Abbatis existentielle Fragen der Gegenwart auf, nimmt Stellung, beleuchtet profund und subtil unerwartete Zusammenhänge und entwirft im erweiterten künstlerischen Raum, ausgehend von Whiteheads Prinzip transcend and include eine visionäre Gesamtschau von Tradition und Avantgarde, von Rationalität und Spiritualität, von Kunst und Gesellschaft.
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